Politische Verfolgung in der Demokratie
Im Gegensatz zur DDR war die Bundesrepublik Deutschland in der Bonner Republik eine demokratische Rechtsordnung, doch auch hier gab es Fälle von politischer Verfolgung, die oft im Kontext des Kalten Krieges und der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus standen.
Die Bonner Republik sah im Kommunismus eine existenzielle Bedrohung, insbesondere durch die DDR und die Sowjetunion. Dies führte zu Maßnahmen gegen linke Gruppen und Einzelpersonen.
Das KPD-Verbot
Das Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) vom 17. August 1956 war das zweite Parteienverbot in der Geschichte der BRD, nachdem die offen neonazistische Sozialistische Reichspartei (SRP) 1952 verboten worden war. Die KPD wurde vom Bundesverfassungsgericht verboten, da sie als verfassungsfeindlich eingestuft wurde. Dies führte zur Verfolgung ihrer Mitglieder und zur Überwachung durch den Verfassungsschutz.
Parteivermögen wurde beschlagnahmt, Funktionäre wurden verhaftet und eine gesamte politische Strömung wurde kriminalisiert. Die Folgen waren gravierend: Die kommunistische Bewegung verlor massiv an Einfluss und wurde in der politischen Landschaft der Bundesrepublik an den Rand gedrängt.1
Berufsverbote – politische Säuberungen im öffentlichen Dienst durch den Radikalenerlass
Am 28. Januar 1972 beschlossen die Ministerpräsidenten der Länder gemeinsam mit Bundeskanzler Willy Brandt den sogenannten Radikalenerlass. Dieser sah vor, dass Bewerberinnen und Bewerber sowie Beschäftigte des öffentlichen Dienstes auf ihre Verfassungstreue überprüft werden sollten, um sicherzustellen, dass sie jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten.
In der Praxis betraf dies vor allem Personen mit linksgerichteter politischer Orientierung, insbesondere Mitglieder der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) oder des Sozialistischen Hochschulbunds (SHB).
Zwischen 1972 und 1985 wurden etwa 3,5 Millionen Personen überprüft, wobei rund 1.250 Bewerberinnen und Bewerber abgelehnt und etwa 260 Personen aus dem Dienst entlassen wurden.
Der Radikalenerlass stieß national und international auf Kritik und wurde als Einschränkung der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit betrachtet. In den Folgejahren distanzierten sich mehrere Bundesländer von dieser Praxis; Niedersachsen richtete 2016 eine Kommission zur Aufarbeitung der Schicksale der betroffenen Personen ein.2
Auswirkungen auf Betroffene
Die Berufsverbote hatten verheerende Konsequenzen für die Lebenswege tausender Menschen:3
Einschüchterungseffekt: Besonders Lehramtsstudierende wurden gezielt unter Druck gesetzt
Inquisitionsartige Verfahren: Betroffene wurden zu „Anhörungen“ geladen, wo sie zu politischen Aktivitäten und Gesinnungen befragt wurden, die an sich nicht strafbar waren
Existenzielle Folgen: Ablehnungen führten zu Arbeitslosigkeit ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld, viele wurden zu Sozialhilfeempfängern
Lange Verfahrensdauer: Durchschnittlich fünf Jahre dauerte der Weg durch die Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht – ohne eigenes Einkommen.
Historische Einordnung der Berufsverbote in der BRD
Die Berufsverbotspolitik durch den Radikalenerlass steht in einer langen Tradition politischer Repression in Deutschland:4
Kaiserreich: Mit der „Lex Arons“ 1898 wurde der sozialdemokratische Physiker Leo Arons aus dem Hochschulbetrieb gedrängt
NS-Zeit: Das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ 1933 entfernte politisch Missliebige und Juden aus dem öffentlichen Dienst.
Frühe BRD: Bereits 1950 gab es den „Adenauer-Erlass“ gegen KPD-Mitglieder, 1956 folgte das KPD-Verbot.
Protest und Widerstand
Gegen die Berufsverbote der Bonner Republik formierte sich breiter Widerstand:5
- Lokale Initiativen: Wie der Initiativkreis gegen Berufsverbote in Münster (1973-1985) unterstützten Betroffene solidarisch
- Großdemonstrationen: Bis zu 35.000 Menschen protestierten bundesweit, internationale Solidarität kam aus Frankreich, den Niederlanden und Belgien
- Juristische Auseinandersetzungen: Arbeitsgerichte gaben oft den Klägern Recht, was die Regierung in NRW ab 1980 zum Einlenken beweg
Neue Verschärfungen geplant?
Die Debatte um Berufsverbote ist bis heute relevant: So plant in Niedersachsen die SPD-Innenministerin Daniela Behrens aktuell eine Verschärfung des Disziplinarrechts, was Kritiker als Rückfall in die Berufsverbotspolitik sehen.6
Verfolgung von DDR-Spionen und -Agenten
Im Kalten Krieg war die Bundesrepublik Ziel von Spionageaktivitäten der DDR. Dies führte zu Gegenmaßnahmen:
Überwachung und Verhaftungen
Der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Verfassungsschutz überwachten verdächtige Personen und Organisationen. DDR-Spione wurden verhaftet und vor Gericht gestellt.
Innere Sicherheit
Gesetze wie das Anti-Terror-Gesetz (1976) wurden genutzt, um vermeintliche Bedrohungen abzuwehren, was auch zu Einschränkungen der Bürgerrechte führte.
Umgang mit Protestbewegungen
Die Bonner Republik sah sich mit verschiedenen Protestbewegungen konfrontiert, die teilweise als Bedrohung wahrgenommen wurden:
Studentenbewegung (1968)
Die Proteste gegen Autorität und Kapitalismus wurden von den Behörden kritisch beobachtet. Einige Aktivisten wurden überwacht oder verhaftet.
Friedensbewegung und Anti-Atomkraft-Proteste
In den 1970er und 1980er Jahren wurden friedliche Demonstranten teilweise als „Staatsfeinde“ eingestuft und überwacht.
Justiz und politische Prozesse
Die Justiz wurde in einigen Fällen instrumentalisiert, um politische Gegner zu verfolgen:
Politische Prozesse
Linke Aktivisten und vermeintliche Staatsfeinde wurden oft in unfairen Prozessen verurteilt. Ein Beispiel ist der Baader-Meinhof-Prozess gegen Mitglieder der RAF.
Einschränkung der Meinungsfreiheit
Gesetze wie der Radikalenerlass und die Strafbarkeit von Verfassungsfeindlichkeit führten zu einer Einschränkung der politischen Freiheiten.
Fazit – Politische Verfolgung auch in einer Demokratie möglich
Die Geschichte der politischen Verfolgung in der Bonner Republik mahnt, wie schnell eine Demokratie ins Wanken geraten kann: Wenn politische Interessen die Rechte des Einzelnen überlagern, ist es die Verantwortung jedes Bürgers, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen und sich gegen jede Form der Unterdrückung zu stellen.
- https://de.wikipedia.org/wiki/KPD-Verbot ↩︎
- Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/346271/vor-50-jahren-radikalenerlass/ ↩︎
- https://www.demokratiegeschichten.de/gegen-politische-diskriminierung-und-verfolgung-durch-den-staat-der-initiativkreis-gegen-die-berufsverbote-in-muenster/ ↩︎
- https://www.komintern.at/50-jahre-berufsverbote-und-kommunistenverfolgung-in-deutschland/ ↩︎
- https://www.demokratiegeschichten.de/gegen-politische-diskriminierung-und-verfolgung-durch-den-staat-der-initiativkreis-gegen-die-berufsverbote-in-muenster/ ↩︎
- https://www.scharf-links.de/news/detail-topnews/neue-berufsverbote-durch-verschaerfung-des-disziplinarrechts-in-niedersachsen ↩︎