Die Karlsbader Beschlüsse (1819) – ein Werkzeug der Repression
Die Karlsbader Beschlüsse1 waren eine Reihe von repressiven Maßnahmen, die 1819 auf der Karlsbader Konferenz von den führenden Vertretern der deutschen Bundesstaaten beschlossen wurden. Sie waren eine Reaktion auf die liberalen und nationalen Bewegungen nach den Napoleonischen Kriegen sowie auf das Attentat auf den konservativen Schriftsteller August von Kotzebue durch den Burschenschaftler Karl Ludwig Sand.2
Hauptbestimmungen der Karlsbader Beschlüsse (1819)
- Universitätsüberwachung
- Einführung von staatlichen Aufpassern („Kuratel“) an Universitäten.
- Entlassung liberal gesinnter Professoren.
- Verbot der Burschenschaften (national gesinnte Studentenverbindungen).
- Pressezensur
- Strikte Vorzensur für alle Druckerzeugnisse unter 20 Bogen (ca. 320 Seiten).
- Verbot von Schriften, die als „revolutionär“ oder „staatsfeindlich“ galten.
- Zentraluntersuchungskommission in Mainz
Diese Behörde (1820–1827) überwachte systematisch „revolutionäre Umtriebe“. Sie sammelte Berichte über Verdächtige, führte Hausdurchsuchungen durch und initiierte Prozesse. - Einschränkung der Meinungsfreiheit
- Verfolgung von Personen, die nationale oder liberale Ideen verbreiteten.
Ziele der Karlsbader Beschlüsse
- Unterdrückung der liberalen und nationalen Bewegung (z. B. der Burschenschaften).
- Wiederherstellung der alten monarchischen Ordnung nach dem Wiener Kongress (1815).
- Verhinderung einer möglichen Revolution nach französischem Vorbild.
Folgen
- Die Beschlüsse führten zu einer restaurativen Ära unter Führung von Österreichs Staatskanzler Metternich („Metternichsche Restauration“).
- Viele liberale und nationale Aktivisten wurden verfolgt, eingesperrt oder flohen ins Exil („Demagogenverfolgung“).
- Die Maßnahmen blieben bis zur Revolution von 1848/49 in Kraft.
Die Karlsbader Beschlüsse gelten als eines der wichtigsten Repressionsinstrumente des Deutschen Bundes und symbolisieren den Kampf zwischen Reaktion und liberal-nationalen Reformbestrebungen im Vormärz.
Politische Verfolgung im Deutschen Bund
Die Karlsbader Beschlüsse von 1819 etablierten ein repressives System zur Unterdrückung liberaler und nationaler Bewegungen im Deutschen Bund. Sie führten zu zahlreichen Fällen politischer Verfolgung, insbesondere gegen Intellektuelle, Studenten und Professoren. Hier eine Übersicht der bekanntesten Fälle:3
Verfolgung von Burschenschaftern
- Karl Ludwig Sand: Der Attentäter von August von Kotzebue (März 1819) wurde hingerichtet. Sein Mord diente als Vorwand für die Beschlüsse und löste eine Welle der Verfolgung gegen Burschenschaften aus.
- Verbot der Burschenschaften: Alle studentischen Verbindungen mit nationaler Ausrichtung wurden aufgelöst. Mitglieder wurden überwacht, verhaftet oder von Universitäten verwiesen (z. B. in Jena, Heidelberg, Göttingen).
Entlassung von Professoren
- „Göttinger Sieben“ (1837): Sieben Professoren der Universität Göttingen (u. a. die Brüder Grimm) protestierten gegen die Aufhebung der Verfassung im Königreich Hannover und wurden entlassen oder des Landes verwiesen.
- Friedrich Ludwig Jahn („Turnvater Jahn“): Der Gründer der Turnbewegung wurde 1819 verhaftet und bis 1825 unter Hausarrest gestellt, da seine Aktivitäten als „demagogisch“ galten.
- Ernst Moritz Arndt: Der nationalistische Schriftsteller und Professor wurde 1820 suspendiert, weil seine Schriften als „volksverhetzend“ eingestuft wurden.
Zensur und Verfolgung von Schriftstellern
- Heinrich Heine: Floh 1831 nach Paris, nachdem seine Werke in Deutschland verboten wurden.
- Georg Büchner: Veröffentlichte regimekritische Schriften wie Der Hessische Landbote (1834) im Untergrund und musste ins Exil gehen.
- Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Der Dichter der späteren Nationalhymne („Lied der Deutschen“) verlor 1842 seine Professur in Breslau wegen „politischer Unzuverlässigkeit“.
Biedermeier-Kultur und politische Verfolgung
Die Biedermeier-Zeit (1815–1848) war eine Epoche des Rückzugs ins Private, geprägt von häuslicher Idylle, Kunst und Literatur – doch hinter dieser scheinbaren Harmonie verbarg sich ein Klima politischer Unterdrückung.4
Flucht ins Private
- Hintergrund: Nach dem Wiener Kongress (1815) und den Karlsbader Beschlüssen (1819) herrschte im Deutschen Bund eine repressive Restaurationspolitik unter Metternich. Viele Bürger zogen sich aus Angst vor Verfolgung aus dem öffentlichen Leben zurück.5
- Merkmale:
- Wohnkultur: Schlichte, funktionale Möbel („Biedermeier-Möbel“), gemütliche Wohnräume und Familienidyll.
- Kunst & Literatur: Unpolitische Themen wie Natur, Heimat und Häuslichkeit (z. B. Werke von Adalbert Stifter, Eduard Mörike).
- Musik & Geselligkeit: Hausmusik, Salons und Schubertiaden als Rückzugsorte.
Kultur als Reaktion auf Unterdrückung
Der scheinbar unpolitische Biedermeier war auch eine stille Protesthaltung:
- Die Betonung von Harmonie und Privatsphäre war eine Reaktion auf die erstickende Zensur.
- Gleichzeitig förderte die Repression eine Doppelgesellschaft: Während das Bürgertum sich ins Häusliche flüchtete, radikalisierten sich oppositionelle Gruppen im Untergrund.
Folgen der politischen Verfolgung im Deutschen Bund
Verzögerung bei der Demokratisierung
Durch die Einschüchterung der Bevölkerung vermieden es viele Menschen, sich politisch zu äußern.
Verlagerung der Opposition ins Geheimnis
Geheimbünde wie die „Schwarze Gesellschaft“ entstanden.
Radikalisierung der Opposition
Viele wollten nicht länger friedlich reformieren, sondern sahen Gewalt als Lösung.
Aufstände und Proteste
Erste Unruhen in den 1830er Jahren führten letztlich zur Revolution von 1848.
- https://germanhistorydocs.org/de/vom-vormaerz-bis-zur-preussischen-vorherrschaft-1815-1866/karlsbader-beschluesse-bundes-pressgesetz-20-september-1819 ↩︎
- https://www.dhm.de/lemo/kapitel/vormaerz-und-revolution/der-deutsche-bund/karlsbader-beschluesse-1819 ↩︎
- https://langzeitarchivierung.bib-bvb.de/wayback/20190716082607/https://www.historicum.net/themen/restauration-und-vormaerz/lexikon/artikel/karlsbader-besc/ ↩︎
- https://de.wikipedia.org/wiki/Biedermeier ↩︎
- https://www.news.at/gesundheit/generation-biedermeier ↩︎