- Politische und religiöse Machtkämpfe
- Die Mehrzahl aller Hexenprozesse fand vor weltlichen Gerichten statt
- Instrumentalisierung durch lokale Herrscher
- Massenpsychose – das Beispiel Bamberg
- Wirtschaftliche Interessen
- Soziale Kontrolle und Disziplinierung
- Rechtliche und institutionelle Strukturen
- Die Rolle der Wissenschaft – Universitäten prüften und bestätigten viele Urteile
- Entscheidende Bedeutung des Buchdrucks
- Opferzahlen im Heiligen Römischen Reich
- Widerstand und Kritik
- Fazit – welche Lehren lassen sich daraus ziehen?
Politische und religiöse Machtkämpfe
Die Hexenverfolgung wurde stark von den konfessionellen Konflikten zwischen Katholiken und Protestanten beeinflusst. Beide Seiten nutzten die Verfolgung von Hexen, um ihre Macht zu festigen und den Einfluss der Gegenseite zu schwächen.
In katholischen Gebieten wie Würzburg und Bamberg wurden Hexenprozesse oft im Rahmen der Gegenreformation durchgeführt, um die Bevölkerung zu disziplinieren und den Katholizismus zu stärken.
In protestantischen Regionen wurden Hexenverfolgungen ebenfalls genutzt, um die neue religiöse Ordnung zu etablieren
Die Mehrzahl aller Hexenprozesse fand vor weltlichen Gerichten statt
Nicht nur die katholische Kirche verfolgte „Hexen“: Gegen dieses weit verbreitete Vorurteil wehrt sich der Historiker Professor Johannes Dillinger von der Universität Oxford vehement:1
„Die ganz große Mehrzahl aller Hexenprozesse – etwa 90 Prozent – fand vor weltlichen Gerichten statt. Angewandt wurde das weltliche Recht und die Richter waren weltliche Würdenträger, also Amtsträger des Adels oder der Städte.“
Warum betrachten trotzdem viele Menschen die katholische Kirche als Hauptschuldige? Dafür hat Professor Dillinger folgende Erklärung:
„Viele Menschen haben scheinbar Angst davor, zu akzeptieren, dass unsere modernen Staaten in ihrer frühen Zeit diese Hexenverfolgungen begonnen haben und geleitet haben. Bevor man das akzeptiert, ist es offenbar bequemer, es einer anonymen Kirche in die Schuhe zu schieben, dass hier schweres Unrecht sich ereignet hat.“
Instrumentalisierung durch lokale Herrscher
Viele lokale Herrscher, wie die Fürstbischöfe von Würzburg und Bamberg, nutzten die Hexenverfolgung, um ihre Autorität zu demonstrieren und politische Gegner auszuschalten. Beispielsweise wurden in Würzburg nicht nur einfache Bürger, sondern auch Mitglieder der Elite, darunter Ratsherren, Priester und sogar Verwandte des Fürstbischofs, hingerichtet. Dies zeigt, dass die Hexenprozesse auch als Mittel zur politischen Säuberung dienten.
Massenpsychose – das Beispiel Bamberg
Am Beispiel Bambergs lässt sich der Hexenwahn beschreiben:2
Die Hauptverantwortlichen sind keine finsteren, perversen Verbrecher. Sie handeln, wie Günter Dippold, Honorarprofessor für Volkskunde der Universität Bamberg betont, aus Überzeugung – Schuldgefühle sind ihnen fremd. Sie zweifeln nicht daran, dass Menschen mit dem Teufel im Bunde stehen, und sind bereit, in die Abwehrschlacht gegen dunkle Mächte zu ziehen. Dabei ist ihnen jedes Mittel recht – schließlich gilt Hexerei als Ausnahmeverbrechen, bei dem die Anwendung von „Notstandsgesetzen“ angebracht erscheint. Entgegen den Regeln der Carolina wird in Bamberg hemmungslos gefoltert, um Geständnisse zu erpressen und immer neue „Besagungen“ zu erzwingen. Sondertribunale betreiben Eilverfahren, Beschuldigte haben kein Recht auf Verteidigung, das Todesurteil ist ihnen zumeist sicher. Wer in den Genuss einer Begnadigung kommt, wird vor dem Verbrennen geköpft.
Wirtschaftliche Interessen
Die Hexenverfolgung war oft mit wirtschaftlichen Interessen verbunden. Die Güter der Verurteilten wurden beschlagnahmt, was den staatlichen Kassen zugutekam. In Trier beispielsweise profitierten nicht nur die Ankläger und Richter, sondern auch der Staat von den Konfiszierungen. Dies führte zu einer regelrechten „Hexenjagd“, bei der die finanziellen Anreize eine zentrale Rolle spielten
Soziale Kontrolle und Disziplinierung
Die Hexenverfolgung diente auch als Instrument der sozialen Kontrolle. Frauen, die sich nicht den gesellschaftlichen Normen anpassten, sowie Außenseiter wurden häufig als Hexen beschuldigt. Dies ermöglichte es den Herrschenden, die Bevölkerung zu disziplinieren und unerwünschtes Verhalten zu unterdrücken. Die Angst vor Verfolgung schuf ein Klima der Unterwerfung und des Gehorsams.
Rechtliche und institutionelle Strukturen
Die Einführung von Gesetzen wie der „Constitutio Criminalis Carolina“ (1532) schuf eine rechtliche Grundlage für die Hexenverfolgung. Diese Gesetze erleichterten die Anwendung von Folter und die Durchführung von Prozessen, was die politische Verfolgung weiter institutionalisierte. Gleichzeitig wurden spezielle Hexenkommissionen eingerichtet, die oft außerhalb der normalen Gerichtsbarkeit operierten und somit politisch motivierte Verfolgungen ermöglichten.
Die Rolle der Wissenschaft – Universitäten prüften und bestätigten viele Urteile
Gutachten von juristischen Fakultäten
Für die Hexenprozesse galten hohe wissenschaftliche Standards, die Urteile galten als „wissenschaftlich abgesichert“.3 Todesurteile wurden in aller Regel von Universitäten gegengeprüft. Dies entspricht einer Empfehlung des Strafgesetzbuches von 1532, der Carolina („Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V.“). Sie hatte die Einbeziehung von juristischen Fakultäten angeregt, deren Entscheidung dann aber auch als rechtverbindlich galt.
Universitäten stellten häufig juristische Gutachten für Hexenprozesse aus, die von weltlichen Gerichten als Grundlage für Urteile herangezogen wurden. Ein Beispiel hierfür ist die Universität Rinteln, die im 17. Jahrhundert als Autorität in Sachen Hexenprozesse galt und massenhaft juristische Gutachten für solche Verfahren lieferte. 4
Pseudowissenschaften – „Beweise“ für Hexerei
Die Leipziger Universität veröffentlichte 1669 eine Schrift, die Hexenflug und Teufelsbuhlschaft als real bestätigte.
Theologische Fakultäten argumentierten mit Bibelstellen (z. B. Exodus 22:17 – „Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen“).
Selbst Naturwissenschaftler und Ärzte glaubten an Teufelspakt und Schadenszauber – etwa durch „Hexenmale“ (Muttermale als Teufelszeichen).
Fazit – Missbrauch der Wissenschaften
Die an Universitäten entwickelten Theorien und Gutachten trugen zur Verbreitung und Festigung des Hexenglaubens in der Bevölkerung bei. Durch die Autorität der akademischen Institutionen wurden die Vorstellungen von Hexerei und deren Gefährlichkeit legitimiert und verstärkt.
Entscheidende Bedeutung des Buchdrucks
Die Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert durch Johannes Gutenberg hatte einen erheblichen Einfluss auf die Verbreitung der Hexenverfolgung in Europa. 5
Durch die Möglichkeit, Schriften massenhaft zu vervielfältigen, konnten Werke wie der Malleus Maleficarum (Hexenhammer) weit verbreitet werden. Dieses 1487 veröffentlichte Buch diente als Anleitung zur Identifizierung, Verfolgung und Bestrafung von angeblichen Hexen und trug maßgeblich zur Eskalation der Hexenverfolgungen bei.
Forschungen zeigen, dass die Verbreitung solcher Druckwerke die Hexenverfolgung nicht nur legitimierte, sondern auch intensivierte. Die Druckerpresse ermöglichte es, standardisierte Anleitungen zur Hexenjagd schnell und weitreichend zu verbreiten, was zu einer Zunahme von Hexenprozessen führte. 6
Opferzahlen im Heiligen Römischen Reich
Die heutige Forschung, die auf breit angelegten Auswertungen der Gerichtsakten basiert, geht davon aus, dass die Verfolgung in ganz Europa etwa 40.000 bis 60.000 Todesopfer forderte. Etwa 25.000 Menschen wurden auf dem Boden des Heiligen Römischen Reichs hingerichtet.7
Widerstand und Kritik
Trotz der weitverbreiteten Hexenverfolgung gab es auch Kritiker, die die politische Instrumentalisierung anprangerten. Gelehrte wie Friedrich Spee und Cornelius Loos sprachen sich gegen die Hexenprozesse aus und warnten vor deren Missbrauch für politische Zwecke. Ihre Schriften trugen dazu bei, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und die Hexenverfolgung schließlich zu beenden.8
Fazit – welche Lehren lassen sich daraus ziehen?
Die Hexenverfolgungen der Frühen Neuzeit sind ein düsteres Kapitel der Geschichte, das uns auch heute noch wichtige Lehren bietet. Sie zeigen, wie Angst, Vorurteile und gesellschaftliche Krisen zu kollektiver Gewalt führen können. Diese Mechanismen sind auch in der Gegenwart relevant, insbesondere im Umgang mit Verschwörungstheorien, Sündenbockdenken und sozialer Ausgrenzung.
Gefahren von Vorurteilen und Sündenbockdenken
In Zeiten von Unsicherheit und Krisen neigen Gesellschaften dazu, Schuldige zu suchen. Während der Hexenverfolgungen wurden oft Frauen, insbesondere ältere oder sozial isolierte, als Hexen beschuldigt und verfolgt. Dieses Muster des Sündenbockdenkens ist auch heute noch erkennbar, wenn beispielsweise Minderheiten oder bestimmte Gruppen für gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht werden. Solche Mechanismen können zu Diskriminierung und Gewalt führen.
Missbrauch von politischer Macht und Autorität
Die Hexenprozesse wurden überwiegend von staatlichen Autoritäten (und nicht der Kirche) initiiert und durchgeführt. Dies zeigt, wie staatliche Macht missbraucht werden kann, um bestimmte Gruppen zu unterdrücken oder eigene Interessen durchzusetzen. Ein kritischer Umgang mit politischen Autoritäten und das Bestehen auf Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten sind daher essenziell.
Bedeutung von Wissenschaftskritik
Unwissenheit und Aberglaube sowie eine Instrumentalisierung der Wissenschaften spielten eine zentrale Rolle bei der Hexenverfolgung. Auch heute ist ein kritischer Umgang mit den Wissenschaften wichtig: So haben sich beispielsweise viele wissenschaftliche Prognosen und Thesen in der Corona-Pandemie als falsch erwiesen.
Besonders fatal: wissenschaftliche Fehlleistungen wurden von der Politik zur Begründung Menschenrechts-Einschränkungen herangezogen. Besonders laute Kritiker an diesem Macht- und Wissenschaftsmissbrauch berichten von Repressionen.
Pandemien und die Versicherheitlichungsstrategie
Geschichtsprofessor Horst Carl spricht von Pandemien und Hexenverfolgung als „Versicherheitlichung“.9 Im Kontext von Pandemien (wie der Pest) und Hexenverfolgung, wurden bestimmte Gruppen oder Handlungen als Bedrohung dargestellt, um die gesellschaftliche Ordnung zu festigen und zu schützen. Die Versicherheitlichungsstrategie dient dazu, gesellschaftliche Aufmerksamkeit und Unterstützung für bestimmte politische Maßnahmen zu gewinnen, indem eine Bedrohungssituation dargestellt wird, die eine Reaktion erfordert.10
Unseres Erachtens bestand in dem unwissenschaftlichen Vorwurf, „Ungeimpfte“ und Kinder würden das Coronavirus häufiger übertragen, eine derartige Versicherheitlichungsstrategie aus längst vergangenen Zeiten, um menschenrechts-einschränkende Maßnahmen zu begründen.
Moderne Hexenverfolgungen
Obwohl die Hexenverfolgungen in Europa der Vergangenheit angehören, gibt es in einigen Teilen der Welt auch heute noch Verfolgungen aufgrund von Hexereivorwürfen. In Ländern wie Papua-Neuguinea oder Teilen Afrikas werden Menschen, insbesondere Frauen, Opfer solcher Anschuldigungen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, sich weltweit für Menschenrechte und den Schutz vor Diskriminierung einzusetzen.11
- https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/tag-gegen-hexenwahn-verfolgungen-frueher-und-heute,TE5mcAe ↩︎
- https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiowissen/geschichte/bamberger-hexenprozess-inquisition-100.html ↩︎
- https://www.luther2017.de/wiki/hexen/hexenverfolgung-was-sind-mythen-was-historische-wahrheiten/index.html ↩︎
- https://taz.de/Hexenprozesse/!5826863/ ↩︎
- https://www.welt.de/wissenschaft/article254003886/Hexenverfolgung-Der-Beginn-des-Druckwesens-war-entscheidend-und-ein-Buch-ganz-besonders.html ↩︎
- https://www.forschung-und-wissen.de/nachrichten/archaeologie/buchdruck-hat-hexenverfolgung-in-europa-gefoerdert-13379501 ↩︎
- Schätzungen zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/Hexenverfolgung ↩︎
- https://www.planet-wissen.de/geschichte/neuzeit/hexenverfolgung/index.html ↩︎
- https://www.soziopolis.de/pandemie-und-hexenverfolgung-als-versicherheitlichung.html ↩︎
- https://www.bpb.de/themen/kriege-konflikte/dossier-kriege-konflikte/504345/versicherheitlichung-securitization/ ↩︎
- https://www.domradio.de/artikel/sie-starb-weil-sie-um-hilfe-bat-moderne-hexenjagden-sind-eine-realitaet-vielen-laendern ↩︎