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1871–1918

Die politische Verfolgung in der Kaiserzeit

Die politische Verfolgung zur Kaiserzeit (1871–1918) war ein zentrales Instrument des deutschen Kaiserreichs, um oppositionelle Kräfte zu unterdrücken und die autoritäre Ordnung zu sichern. Diese Verfolgung richtete sich vor allem gegen sozialistische, sozialdemokratische, katholische und teilweise auch liberale Gruppen, die als Bedrohung für die monarchische und konservative Herrschaft angesehen wurden.

Sozialistengesetze (1878–1890)

Die bekannteste Form der politischen Verfolgung zur Kaiserzeit waren die Sozialistengesetze (offiziell: Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie), die von 1878 bis 1890 in Kraft waren. Diese Gesetze richteten sich gegen die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) und ihre Nachfolgeorganisation, die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD).

  • Maßnahmen:
    • Verbot sozialistischer Vereine, Versammlungen und Schriften.
    • Verhaftung und Ausweisung von sozialdemokratischen Aktivisten.
    • Überwachung durch die Polizei und Einschränkung der Pressefreiheit.
  • Hintergrund:
    Die Gesetze wurden nach zwei Attentaten auf Kaiser Wilhelm I. erlassen, obwohl die Sozialdemokraten keine Verbindung zu diesen Anschlägen hatten. Reichskanzler Otto von Bismarck nutzte die Gelegenheit, um die wachsende Arbeiterbewegung zu unterdrücken.
  • Folgen:
    Trotz der Repression wuchs die Sozialdemokratie im Untergrund weiter und gewann nach dem Ende der Sozialistengesetze 1890 massiv an Einfluss.

Kulturkampf (1871–1878)

Der Kulturkampf war eine Auseinandersetzung zwischen dem preußisch-deutschen Staat und der katholischen Kirche, die auch politische Verfolgung einschloss.
Ziel:
Die Regierung unter Bismarck wollte den Einfluss der katholischen Kirche, insbesondere der Zentrumspartei, zurückdrängen, die als oppositionelle Kraft galt.
Maßnahmen:
Verhaftung und Absetzung katholischer Geistlicher, die sich staatlichen Anordnungen widersetzten.
Einführung des Kanzelparagraphen (1871), der politische Äußerungen von der Kanzel unter Strafe stellte.
Jesuitengesetz (1872): Verbot des Jesuitenordens und Ausweisung seiner Mitglieder.
Folgen:
Der Kulturkampf scheiterte letztlich, da er die katholische Bevölkerung gegen den Staat mobilisierte und die Zentrumspartei stärkte.

Verfolgung von Minderheiten und Andersdenkenden

Neben Sozialdemokraten und Katholiken wurden auch andere Gruppen politisch verfolgt:
Polen:
In den preußischen Ostprovinzen wurden polnische Nationalisten und katholische Geistliche unterdrückt, um die Germanisierung voranzutreiben.
Juden:
Obwohl Juden formal gleichberechtigt waren, gab es antisemitische Diskriminierung und Verfolgung, insbesondere in den 1880er Jahren im Zuge der Antisemitismusdebatte.
Liberale und Demokraten:
Liberale Kräfte, die für parlamentarische Reformen eintraten, wurden überwacht und teilweise in ihrer Arbeit behindert.

Überwachung und Repression durch die Polizei

Die politische Polizei spielte eine zentrale Rolle bei der Überwachung und Unterdrückung oppositioneller Gruppen:
Geheimpolizei:
In Preußen und anderen Bundesstaaten wurden geheime Polizeieinheiten eingesetzt, um politische Aktivisten zu überwachen.
Berufsverbote:
Sozialdemokraten und andere Oppositionelle wurden oft von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen oder verloren ihre Arbeitsplätze.
Zensur:
Zeitungen, Flugblätter und Bücher, die als regierungskritisch galten, wurden verboten oder zensiert.

Justiz als Instrument der Verfolgung

Die Justiz wurde gezielt eingesetzt, um politische Gegner zu bestrafen:
Politische Prozesse:
Sozialdemokraten, Gewerkschafter und andere Aktivisten wurden häufig vor Gericht gestellt und zu Haftstrafen verurteilt.
Einschränkung der Verteidigungsrechte:
In politischen Prozessen wurden die Rechte der Angeklagten oft beschnitten, um Verurteilungen zu erleichtern.

Widerstand und Gegenbewegungen

Trotz der Repression gab es erheblichen Widerstand gegen die politische Verfolgung:
Sozialdemokratie:
Die SPD organisierte sich im Untergrund und gewann nach dem Ende der Sozialistengesetze massiv an Unterstützung.
Katholiken:
Die katholische Kirche und die Zentrumspartei mobilisierten ihre Anhänger gegen den Kulturkampf.
Liberale und Demokraten:
Liberale Kräfte setzten sich für Verfassungsreformen und die Stärkung des Parlaments ein.

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